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Aktuelles von Donnerstag, 05.10.2006


Thielert-Aktie stürzt ab
Quelle: FAZ vom 5.10.2006 - Analysen & Hintergründe - Maschinenbau

Die Aktie des Flugzeugmotorenherstellers Thielert ist am Donnerstag im waren Wortsinne abgestürzt: Am frühen Nachmittag lag das im SDax notierte Papier 39,7 Prozent im Minus bei 14,40 Euro (Isin DE0006052079). Später erholte sich die Aktie etwas, gegen 16.50 Uhr betrug das Minus nur noch 24,2 Prozent.

Aktionärsschützer schlagen Alarm: "Obwohl Thielert ohne Zweifel innovative Flugzeugmotoren mit hohem Marktpotential herstellt, rät die SdK Anlegern, Abstand von der Aktie zu halten", warnt die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Ein "Totalverlust des Investments" drohe, sollten sich die in einer Strafanzeige aufgestellten Behauptungen bewahrheiten.

Vorwürfe: Urkundenfälschung und Bilanzbetrug

Was war passiert? Der SdK ist eine Strafanzeige zugegangen, die wohl auch den Staatsanwaltschaften Hamburg und Chemnitz zugestellt wurde. In der Anzeige würde Managern des Flugzeugmotorenbauers Urkundenfälschung, Bilanzbetrug sowie Prospekt- und Kapitalanlagenbetrug vorgeworfen. "Der Verfasser der insgesamt 72 Seiten umfassenden Anzeige hatte offenbar Zugang zu Kreditverträgen, Liquiditätsplanungen und vertraulichen Prüfungsunterlagen der BDO Deutsche Warentreuhand AG. Diese Unterlagen hat er der Anzeige in Form kopierter Originale beigelegt", schreibt die SdK. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat den Eingang einer Strafanzeige inzwischen bestätigt.

Durch fiktive Umsätze und die Aktivierung von Forderungen hätten die Verantwortlichen in den vergangenen Jahren eine falsche und deutlich zu positive Unternehmensdarstellung erzeugt. "Kongret werden in der Anzeige zahlreiche Forderungen aufgeführt, die zum 31. Dezember 2004 bilanziert worden sind, aber deren Werthaltigkeit zweifelhaft sein soll", so die Aktionärsschützer. Thielert wies die Vorwürfe am Donerstag nachmitag zurück.

Sonderprüfung abgebrochen

In der Anzeige werde Thielert vorgeworfen, den Banken hohe Liquiditätseingänge in Aussicht gestellt zu haben, die dann aber immer wieder verschoben wurden. Eine im April 2005 durch die kreditgebenden Banken veranlaßte "Sonderprüfung der Debitoren und Forderungen" kam nach Angabe des Anzeigeerstatters am 27. Mai zu dem Zwischenergebnis, daß von 37 angeforderten Saldenbestätigungen lediglich zwei vorgelegt wurden.

Von den zu prüfenden 21 Millionen Euro Forderungsbestand konnten nur 7.366 Euro, also gerade mal 0,03 Prozent, durch beantwortete Saldenbestätigungen positiv festgestellt werden. "Trotz dieses alarmierenden Ergebnisses wurden von den Sonderprüfern offensichtlich keine weiteren Maßnahmen oder Prüfungen vorgenommen", so die SdK.

Vorstandschef: Vorwürfe sind "plump und falsch"

Der Vorstandsvorsitzende Frank Thielert bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der SdK als "plump und falsch". Die Sonderprüfung sei deshalb abgebrochen worden, weil das vorgelegte Zwischenergebnis vom 27. Mai ausreichend Transparenz für die Banken geschaffen habe und man weitere Kosten der Prüfung vermeiden wollte. "Thielert behauptet zwar, daß inzwischen ein Großteil der teilweise seit 2003 offenen Forderungen in Millionenhöhe beglichen sei, blieb die konkreten Auskünfte und Belege aber schuldig", schreiben die Aktionärsschützer.

Zu zehn Kundenforderungen von insgesamt 13 Millionen Euro habe Thielert zuerst behauptet, daß lediglich 17 Prozent, also 2,2 Millionen, noch offen seien und es bisher noch nicht zu Ausfällen gekommen sei. Auf Nachfrage habe sich aber herausgestellt, daß 7,5 Millionen noch offen sind und davon bereits 3,8 Millionen wertberichtigt wurden. Eine Forderung in Höhe von 500.000 Euro sei komplett abgeschrieben worden.

"Der Fall erinnert an Comroad"

Thielert hat der SdK zufolge allerdings eine Erklärung für die in Umlauf gekommenen hochbrisanten Papiere: Hedge Fonds hätten die Aktie leerverkauft und wollten jetzt von einem Kurssturz profitieren. Die Thielert AG habe daher inzwischen selbst Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und die Finanzaufsicht Bafin informiert. "Die Tatsache, daß das Unternehmen anscheinend große Mühe hat, die Vorwürfe zu entkräften, sich dafür aber um so schneller als Opfer von Hedge Fonds identifiziert, erinnert an FJH, Comroad der MLP", schreibt die SdK. "Die Gesellschaften argumentierten ähnlich und mußten später jedoch ihre höchst aggressive und teilweise kriminelle Bilanzierung zugeben".

 

Thielert: "Falsche und schädliche Behauptungen"

"Die Thielert AG weist die heute durch die SdK verbreiteten Betrugsvorwürfe vollumfänglich und schärfstens zurück", heißt es in einer am Donnerstag nachmittag verbreiteten Ad-hoc-Mitteilung der Gesellschaft. Das Unternehmen habe inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und werde "sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese falschen und schädlichen Behauptungen zur Wehr setzen".

Die Behauptung der SdK, daß es eine Einzelwerberichtigung von 3.8 Millionen Euro gegeben habe, sei falsch. "Die Bilanzen sind nicht nur im Rahmen unserer Jahresabschlüsse durch Wirtschaftsprüfer testiert worden, sondern auch bei der Erstellung des Prospektes für unseren Börsengang nochmals nach strengen Maßstäben überprüft worden", heißt es weiter. "Auch ein Gutachten im Zusammenhang mit dem betreffenden Betriebsmittelkredit kam zu völlig unproplematischen Ergebnissen".

Bilanzrelationen entwickeln sich "ungewöhnlich"

Die Aktionärsschützer werten auch die Entwicklung der veröffentlichten Bilanzrelationen als "ungewöhnlich" und "beunruhigend". Der Unsatz stieg von 24,2 Millionen Euro 2004 auf 37,6 Millionen Euro 2005, die bilanzierten Forderungen nahmen jedoch auch von 24 auf sogar 45,3 Millionen Euro zu. "Und das, obwohl die in der Sonderprüfung untersuchten Forderungen in Höhe von 21 Millionen angeblich schon "größtenteils" beglichen waren", so die SdK.

Im Halbjahresbericht zum 30, Juni 2006 wird die Höhe des Forderungsbestands nicht einzeln ausgewiesen. Die Forderungen und sonstigen Vermögenswerte betrugen jedoch 67,4 Millionen Euro. Darin müßten liquide Mittel von 13,2 Millionen Euro enthalten sein, womit die Forderungen mehr als 50 Millionen ausmachen dürften.

Negativer Cashflow im operativen Geschäft

Thielert meldete bisher stets ein positives Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit). 2005 zum Beispiel ist das Ebit Unternehmensangaben zufolge im Vergleich zum Vorjahr um 51 Prozent auf 13,1 Millionen Euro gestiegen. Nach dem ersten Halbjahr 2006 betrug das Ebit 7,1 Millionen Euro, in der Vorjahresperiode waren es noch 4,9 Millionen Euro gewesen.

Auffällig ist aber der nagative Cashflow im operatien Geschäft: Die "Nettozahlungsmittel aus betrieblicher Tätigkeit", wie es in der Konzern-Kapitalflußrechnung heißt, beliefen sich auf minus 5,4 millionen Euro 2004 und minus 11,1 Millionen Euro 2005. Nach dem ersten Halbjahr 2006 standen beim operativen Cashflow sogar minus 14,4 Millionen Euro in den Büchern. Deshalb mußte Thielert auch, obwohl dem Unternehmen erst zum Börsengang in November 2005 rund 62 Millionen Euro zugeflossen sind, im Mai 2006 "weitere 20 Millionen Euro in Form eines Schuldscheindarlehens aufnehmen", so die SdK.

Jetzt bleib abzuwarten, ob Thielert die Vorwürfe entkräften kann. Ambitioniert bewertet war die Aktie ohnehin schon immer: Analysten trauen dem unternehmen im Schnitt 2006 einen Gewinn je Aktie von 63 Cent und 2007 von 1,01 Euro zu. Zum Kurshoch im Mai dieses Jahres bei 27,49 Euro war die Aktie also mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)von mehr als 40 für das laufende Jahr bewertet. Derzeit beträgt das KGV immer noch 22,9. Dabei erscheint immer fraglicher, ob Thielert die erwarteten Ergebnisse liefern kann.



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